Eine der bedeutendsten Abteien in Burgund ist Fontenay (Fontanetum).
Sie wurde im Jahre 1119 von Bernhard von Clairvaux als Tochterkloster (Filiation) der Primarabtei Clairvaux gegründet und liegt etwa 60 km nordwestlich von Dijon getreu der zisterziensischen Tradition in einem entlegenen, ursprünglichen Bachtal.
Weder von der Mutterabtei des Zisterzienserordens [Citeaux (1098)] noch von den vier Tochtergründungen La Ferté (1113), Pontigny (1114), Clairvaux (1115) und Morimond (1115) haben sich Reste aus der ersten Bauphase erhalten. Somit stellt die zu großen Teilen erhaltene Abtei von Fontenay das älteste und vollständigste bauarchäologische Zeugnis der frühen Zisterzienserbaukunst dar. Die Anlage vermittelt einen authentischen Eindruck von dem wohl durch Bernhard von Clairvaux entwickelten Grundschema eines zisterziensischen Klosters.
Geschichte
Der Bau ist ein Manifest der strengen zisterziensischen Romanik und entspricht weitestgehend dem Originalzustand. Seit seiner Vollendung (1147) hat das Gotteshaus der Basilika nur geringfügige Veränderungen erfahren. Fontenay entwickelte sich schnell zu einem führenden geistlichen Zentrum der Region: die Mönche fertigten wertvolle Handschriften und erzielten Erfolge in der Medizin und Heilkunde des Hochmittelalters. Im 13. Jahrhundert wohnten Hunderte Mönche in Fontenay.
Mit der Französischen Revolution 1789 endete das Klosterleben: 1791 verließen die letzten neun Mönche Fontenay. Nach dem Verkauf wurde eine Papierfabrik in den Gebäuden der Abtei eingerichtet, die Basilika war zusehends von Verfall bedroht.
1906 kauften die wohlhabenden Gebrüder Edouard und René Aynard die gesamte Abtei und begannen mit der aufwändigen Restaurierung, die bis heute andauert. Nur den Bemühungen der Aynards ist es zu verdanken, dass Fontenay in seinem wiederhergestellten Zustand im Jahr 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.
Architektur
Die Abtei gliedert sich in die Bereiche der Basilika (1), des Klosters mit Dormitorium (1. Etage), Kreuzgang (2), Refektorium (6) und Kapitelsaal (3), der Wirtschaftsgebäude und der klösterlichen Gärten.
Die Fassade wird von sieben Rundbogenfenstern – der symbolischen Zahl der christlichen Tradition – durchbrochen, oben von drei, unten von vier Fenstern. Das hat nicht nur architektonische Bedeutung.
Zur Zahlensymbolik:
Die Drei, die durch keine andere Zahl teilbar ist, ist die klassische Zahl der göttlichen Trinität: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Drei steht für das Umfassende, die Heiligkeit und Vollkommenheit, für die Welt des Geistlichen. Eine weltliche Stadt ist auf künstlerischen Darstellungen des Mittelalters vornehmlich durch vier Arkaden gekennzeichnet, das Himmlische Jerusalem immer durch drei Arkaden.
Die Vier ist eine ganz zentrale Symbolzahl und zwar steht sie ganz allgemein für den Bereich des Weltlichen. Zunächst gibt es im Mittelalter die Einteilung der Materie in die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Dann gibt es im menschlichen Leben vier Kardinaltugenden [Tapferkeit (fortitudo), Klugheit (prudentia), Mäßigkeit (temperantia) und Gerechtigkeit (iustitia)], die vier Temperamente (cholerisch, phlegmatisch, melancholisch und sanguinisch), die vier Kirchenväter (Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor der Große), die vier Himmelsrichtungen, die vier Enden der Welt, die vier Tageszeiten usw.
Dem Ordensideal folgend sind die Zisterzienser-Kirchen einfach, streng und klar. Die Regeln des Ordens verboten Türme, nur Dachreiter und Glocken waren erlaubt. Figürlicher Kapitellschmuck, skulptierte Portale und Ornamentik waren ebenso untersagt wie buntfarbige Fensterverglasung. Darin stehen die Zisterzienser in schärfstem Gegensatz zur gleichzeitigen romanischen Baukunst, vor allem zu Cluny, und das machte sie später zu Mitverbreitern des gotischen Stils in seiner asketischen Version. Dieses Schema lockerte sich später auf und es wird sich etwas wiederholen, was in Cluny, dem Ausgangsort der Bewegung, ebenfalls geschehen ist. Die anfängliche Askese konnte sich nicht durchhalten.
Die achtjochige Kirche ist 66 Meter lang (Cluny III war ungefähr dreimal so groß) und 16,70 Meter hoch. Zur Atmosphäre dieser Kirche passt es sehr gut, dass keinerlei Sitzbänke und ähnliches den Innenraum zustellen und dass es eigentlich auch keinen Fußboden gibt außer festgetretenem Lehm. Der originale Eindruck des 12. Jhs. ist vollständig erhalten geblieben. Das Mittelschiff von Fontenay wird – wie in Cluny III – bis zum Chor von der burgundischen Spitztonne auf mächtigen Quergurten überwölbt.
Aber eine Fensterzone fehlt, die Beleuchtung erfolgt durch die Seitenschiffe und die dichten Fenstergruppen an der Eingangswand, an den Chorwänden und an den Querschiffenden. Das Innere blieb entweder steinsichtig oder wurde verputzt und mit weißen Fugen bemalt, der einzigen zulässigen Farbe – auch die Gewänder der Zisterzienser waren farblos. Sonst erhielt der turmlose Bau weder plastischen noch malerischen Schmuck.
Dafür war die Behandlung des Steins außerordentlich sorgfältig und sauber – und damit auch teuer. Teilweise konnte ohne Mörtel gemauert werden. Diese asketische Einfachheit fand außerordentlichen Zuspruch. In kürzester Zeit verbreiteten sich – zusammen mit dem Orden – die Bauformen der Zisterzienser über ganz Europa. Ihre ersten Bauten waren noch aus Holz errichtet. Erst in der zweiten Ordensgeneration unter Bernhard von Clairvaux entstanden Steingebäude.
Die erhaben schlichte, dreischiffige Basilika hütet die überlebensgroße Steinstatue der »Madonna von Fontenay« aus dem 13. Jahrhundert. Im Chor, der sich hinter den hohen Säulen erstreckt, sind Grabplatten burgundischer Adliger aus dem 13. Jh. erhalten, der Blütezeit der Abtei. Ebenfalls aus dem 13. Jh. stammt der gotische Altar.
Vom südlichen Querhaus aus gelangt man über eine Treppe nach oben in das Dormitorium, in den Schlafsaal der Mönche, der immer über dem Kapitelsaal liegt. Er ist 56 Meter lang, das Gebälk ist aus Eichenholz und stammt noch von ca. 1450. Die Mönche schliefen in dem unbeheizten, schwach beleuchteten Raum auf Strohsäcken unter einer Wolldecke und waren kaum getrennt voneinander. Es bestanden nur zwei durch einen Mittelgang getrennte Reihen. Innerhalb dieser Reihen waren die Liegeplätze lediglich durch einfache, niedere Scheidewände getrennt.
Im Verlauf des Mittelalters wurden allerdings bei den Zisterziensern höhere hölzerne Trennwände zwischen die Betten gestellt; so entstanden offene Kabinen, die gegen den Mittelgang immerhin durch Vorhänge abgeschlossen waren, also wenigstens eine gewisse Privatheit erlaubten. Seit dem 15. Jh. waren auch Türen mit Guckloch erlaubt. Die jüngeren Brüder schliefen zur Kontrolle häufig zwischen den älteren. Der Abt sah nach, ob sich in den Betten kein Sonderbesitz befand, der gegen das Armutsgebot verstieß.
Anfangs war es üblich, dass nach der Benediktinerregel alle Mönche in einem Raum gemeinsam schlafen sollten, so dass das Dormitorium sehr groß werden konnte, manchmal größer als das Kirchenschiff. Später kam es deshalb zu Abweichungen dieser Regel, aber die Mönche verbrachten auch dann zumindest in Gruppen zu 10 oder 20 die Nacht. Meistens hatten die Schlafsäle zwei Zugänge, einen unmittelbar zum Querhaus der Kirche, den zweiten zum Klosterhof oder zu den Latrinen. Das Licht sollte bei alledem nie ausgehen – Dunkelheit erzeugt Angst und erschwert die Kontrolle.
Als Meisterwerk der Romanik gilt der Kreuzgang, der sich um einen begrünten Hof schließt und der über exzellent bearbeitete Kapitelle verfügt. Der anschließende Kapitelsaal, in dem einst Rat gehalten wurde und in dem die Geistlichen sich austauschten oder ihre Studien betrieben, kündigt durch einige Formen an Säulen und Fenstern bereits die Gotik an. Der einzig dauerhaft beheizte Raum des Klosters war der Chauffoir (Calefactorium,Wärmestube), der über zwei gewaltige Kamine verfügt, an denen sich die Mönche wärmten.
Die nach alten Vorbildern restaurierten Kräutergärten begrenzen den Krankensaal, in dem die Kranken der Region versorgt wurden, und die Schmiede, die eine wichtige Einnahmequelle des Klosters darstellte. Im 15. Jahrhundert entstanden der kuriose Taubenturm, der auf das Jagdrecht der Mönche verwies, und der Hundezwinger. Der im verspielten Stil des Rokoko gehaltene Abtspalast aus dem 18. Jahrhundert dient heute der Familie Aynard als Wohnsitz.
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